In Episode 104, die wieder von Steve Miner inszeniert wurde, dreht sich alles um
Sex, Betrug, Heimlichtuereien und aufgedeckte Lügen.
Anfangs betrachten Dawson und Joey das Rohmaterial zu „Ungeheuer aus der Tiefe“, in dem Jen ihren Auftritt (in Zeitlupe und mit Weichzeichner) hat. Dawsons Schwärmereien werden von Joey zunichte gemacht. Sie malt sich nüchtern Jens vorhersehbare Zukunft aus und widerspricht somit dem Traumfrauenimage, das sich Dawson von seiner Angebeteten zurecht gelegt hat. Anschließend stoßen sie zufällig auf die Aufnahmen, die Dawson unbeabsichtigt in den Ruinen in #103 gedreht hat. Angesichts der erotischen Bilder amüsiert sich Joey über Dawsons „Russ Meyer-Phase“. Der im letzten Jahr verstorbene „König des Sexfilms“, der ungerechtfertigterweise den Ruf eines Primitivlings genießt, welcher sich lediglich durch seine Vorliebe für Frauen mit üppiger Oberweite auszeichnet, erhält dadurch seine längst überfällige Reputation als verdienter Independent-Künstler. Dawson und Joey erkennen schließlich, dass die heimlich gefilmte Dame niemand anderes als Tamara Jacobs ist. Der Eklat um Pacey und Tamara ist damit vorbereitet.
Als die beiden im Icehouse Jen und Pacey davon erzählen, wird Suspense erzeugt. Denn im Gegensatz zu den drei nichtsahnenden Freunden wissen wir Zuschauer bereits, dass der „Kerl mit braunem Haar und bebenden Nackenmuskel“ niemand anderer als Pacey selbst ist. Joey reagiert auf Paceys erhöhtes Interesse an dem Video mit ihrer altbekannten Schlagfertigkeit. Pacey hingegen wird nun klar, dass sich eine Katastrophe anbahnt. Das junge Glück von Dawson und Jen, die händchenhaltend heimgehen, ist indessen noch unbelastet. Doch auch hier ziehen bereits dunkle Wolken am Horizont auf. Denn wie Pacey verheimlicht auch Jen ihre bisherigen sexuellen Erfahrungen. Grams, die über Jens Probleme in New York Bescheid weiß, ist wenig erfreut, als sie ihre Enkelin beim Knutschen mit dem Nachbarsjungen beobachtet. Mrs Ryan befürchtet, dass Jens sündige Vergangenheit sie wieder einholen könnte. Als die bigotte Großmutter vermeiden will, dass ihre Enkeln „vom rechten Weg abkommt“, kommt es zwischen beiden zum Streit: „Nicht alles was ich sage, ist als Kritik gemeint. – Nein, ich weiß, ich weiß. Manches davon ist als Urteil gemeint.“
Im Leery-Haus wirft Mitch seiner Frau Gale vor, dass ihr noch nie seine Narbe am Kinn aufgefallen sei. Hier wird eine augenzwinkernde Parallele zu Harrison Ford gezogen, der ebenfalls eine markante Kinnnarbe hat, welche er sich bei einem Autounfall zugezogen hat. Wir können bei Mitch zwar keine Narbe sehen. Mitch wird in einer späteren Folge von Dawson aber mal als „Harrison Ford-Typ“ beschrieben. Im Subtext wird damit gesagt, dass es zwischen den beiden Ehepartnern Mitch und Gale noch unentdeckte Seiten gibt. Mitch ahnt jedoch noch nicht, was ihm Gale vorenthält. Die Aufdeckung ihres Betrugs schleicht sich somit langsam in die bislang unbekümmerte Ehegemeinschaft ein.
Dawson ertappt den völlig aufgelösten Pacey, als dieser in seinem Zimmer nach der Cassette mit Tamara herumwühlt. Nachdem sie Dawson aus seinem Geheimversteck, einem ausgehöhlten Buch (indem sich möglicherweise noch andere Geheimnisse befinden), hervorgeholt hat, setzt Pacey zum großen Geständnis an. Auch hier wird wieder Ehrlichkeit und Verschwiegenheit thematisiert. Pacey teilt seinem völlig perplexen Freund mit, dass er eine Affäre mit der Englischlehrerin hat. Und nicht nur dass: der Typ mit dem bebenden Nackenmuskel ist er selbst. Abgesehen von den skandalösen Begleiterscheinungen ist es ihm peinlich, dass sein erstes Mal filmisch dokumentiert wurde. Hier wird die Freundschaft zwischen Dawson und Pacey weiterentwickelt. Immerhin ist Pacey bei diesem intimen Thema vollkommen aufrichtig. Glücklicherweise ist der Dialog nicht auf dem Niveau von konventionellen Jungsgesprächen gehalten, sondern emotional aufgezogen. Deshalb ist es auch nachvollziehbar, als Pacey seinen Freund fragt, wie er sich angestellt hat. Im Original appelliert er an Dawsons Regie-Verständnis, als er sich über seine „Performance“ erkundigt, was natürlich noch besser passt als in der deutschen Synchronfassung. Hier fällt im Hintergrund das Plakat zu „Needful Things“ auf, einem Kleinstadt-Horrorfilm mit Ed Harris und Max von Sydow als diabolischen Antiquitätenhänder. In diesem Streifen verkaufen Menschen ihre Seele unbewusst an den Leibhaftigen. Möglicherweise ein kleiner Hinweis darauf, dass nun auch Pacey mit dem Rücken zur Wand steht und dass das Videotape Folgen hat, die er noch nicht absehen kann.
In der folgenden Szene befinden sich Dawson und Joey auf Shopping-Tour nach einem Geschenk für Mitchs und Gales Hochzeitsjubiläum. Dabei laufen sie zufällig Gale und ihrem Lover Bob über den Weg. Obwohl die älteren Semester cool und souverän bleiben, kommt Suspense auf. Denn im Gegensatz zu Dawson kennen wir – wie Gale und Joey – die Wahrheit. Die Blicke, die Joey Gale zuwirft, sagen eigentlich alles. Amüsant, dass Bob sagt, er sei ein „Indiana Jones-Fan“, also ein Harrison Ford-Fan, womit sinnbildlich wieder auf Mitch verwiesen wird. Durch diese kleine Bemerkung wirkt Gale Ehebetrug noch schwerwiegender. Mit dieser Szene wird der nächste Schritt zum Seitensprung-Eklat vorgenommen. Was auch Joeys letzter Kommentar auf Dawsons Feststellung (dass er Bob entgegen seiner ersten Meinung gar nicht mehr als Aufreißer betrachtet) verdeutlicht: „Dein erster Eindruck war richtig.“
In der Szene im Straßencafé vor der Videothek unterhalten sich Pacey und Tamara über Sex in der Literatur. Und darüber, welch dramatische Folgen Sex haben kann. Unterschwellig geht es natürlich um ihre eigene Beziehung, die sich überwiegend auf der sexuellen Ebene abspielt. Als Pacey nach Tamaras Hand greift, was eine kleine romantische Geste ist und somit nichts mit Sex zu tun hat, zieht sich Tamara zurück. Ein normales Paar-Verhältnis (in der Öffentlichkeit) können und dürfen die beiden nicht teilen. Sie teilen lediglich das „Verbotene“. Und das, so zeigt sich hier erneut, ist zum Scheitern verurteilt.
Als Dawson Jen nach ihrer Meinung über sein Werk fragt, wird klar, wie schlecht er mit Kritik umgehen kann. In seiner Phantasiewelt muss eben alles perfekt sein. Auch wenn er „von Natur aus skeptisch ist“. Er kann es noch immer nicht ganz fassen, dass sich Jen für ihn interessiert. Als er sich zu seiner Freundin aufs Bett setzt, spricht er den Hayes-Code an, der Filmen in den 30er und 40er Jahren bestimmte Zensurregeln auferlegte. Er wagt nun einen ersten zaghaften Schritt in Richtung Miteinander-Schlafen. Doch Jen, die möglicherweise auch noch die Ermahnung ihrer Großmutter im Hinterkopf hat, ist noch nicht bereit dazu. Am nächsten Tag gehen die beiden in den Sender, um Jens Schrei nachzuvertonen. Jen versucht sich als Scream Queen, kriegt es aber noch nicht ganz auf die Reihe (Michelle Williams spielte auch erst zwei Jahre später in HALLOWEEN H20 mit). Schließlich kommt es zum großen Hammer, als die Teenager Gale und Bob dabei ertappen, wie sie sich küssen. Die Kamerafahrt auf Dawsons Reaktion und die heavy Gitarrenmusik vermitteln uns eindringlich seinen Schock. In der nächsten Szene am Kai bietet Jen Dawson an, dass er sich mit ihr über seine Gefühle unterhalten kann. Dawson ist aber noch nicht so weit. Jen ist zwar sein Love Interest, aber noch weit davon entfernt, auch eine Freundin zu sein, mit der er über alles sprechen kann. Interessant hier ist, dass die Szene aus nur einer einzigen Einstellung besteht. Die Kamerafahrt, angefangen bei der Fähre über die Zweier-Einstellung hin zum Close-Up von Dawson ist sicher nicht einfach zu inszenieren gewesen, lässt den Schauspielern aber die Gelegenheit, sich tief in die Situation einzufühlen. Der nächste Schnitt stellt die Verbindung zwischen Dawson und Joey wieder her, die eben doch noch tiefer geht, als die zwischen Dawson und Jen. Dawson kotzt sich bei Joey aus. Diese kann ihm jedoch leider keinen Trost spenden. Denn sie wusste schon vorher von Gales Untreue. Als Dawson dahinterkommt, dass ihm seine Vertrauensperson Nummer Eins diese derart wichtige Information vorenthalten hat, ist er bestürzt. Auf den Schock mit Gale folgt nun die Enttäuschung über Joey. Seine wütende Reaktion, in dem er ihr beinahe ihre Freundschaft aufkündigt, ist daher psychologisch stimmig. Sein Abgang ist ganz eindeutig der eines eingeschnappten Teenagers, der die Sache dramatisch aufbauschen muss. Schließlich wendet er sich doch Jen zu. Als er sich ausspricht, ist die Halbtotale etwas unscharf, was ein wenig schnell heruntergedreht wirkt. Dawsons Drama ist aber noch nicht am tiefsten Punkt angelangt. Nachdem er sich zuerst ein wenig besser fühlt, trifft er mit Jen das Übereinkommen, stets ehrlich zu sein. Damit leitet er unbewusst zum nächsten Tiefschlag über. Jen beichtet nun die wahren Hintergründe für ihre Anwesenheit in Capeside. Sie wurde von ihren Eltern wegen ihrer sexuellen Eskapaden als frühreifes Girlie „verbannt“. Als Dawson realisiert, dass er auch von Jen angelogen wurde, was ihre Jungfräulichkeit betrifft, bricht die Welt für ihn vollends zusammen. Wieder scheitert seine Vorstellung der idealen Märchenwelt an den Eckpfeilern der wirklichen Welt. Der großartig gespielte Dialog der beiden gipfelt in Jens Bemühungen, der Anspannung durch Händchenhalten entgegenzuwirken. Obwohl Dawson darauf eingeht, ist er unendlich enttäuscht und verletzt und eigentlich schon gar nicht mehr bei ihr. Im Rest des zweiten Aktes bemüht er sich, Jen aus dem Weg zu gehen. Er ist desillusioniert und findet noch keinen Weg, seine Gefühle auf angemessene Weise zu kanalisieren. Kein Wunder, dass er Jen damit vor den Kopf stößt. Ihre gerade erst begonnene Romanze erhält damit schon früh einen heftigen Schuss vor den Bug.
Pacey, der mittlerweile zwei Mal Zeuge wurde, wie gut sich Tamara und Mr. Gold verstehen, macht ihr eine Eifersuchtsszene. Auch Pacey plädiert für Aufrichtigkeit, falls Tamara noch einen zweiten Mann an der Leine haben sollte. Dem ist aber keineswegs so, da Mr. Gold schwul und nichts weiter als ein guter Freund für Tamara ist. Was bei den anderen Paarungen nicht funktioniert, klappt bei Pacey und Tamara umso besser. Sie sind völlig ehrlich zueinander. Sie machen aus ihrer Affäre zwar ein Geheimnis nach außen hin – wenn sie unter sich sind, gibt es jedoch keine Lügen (abgesehen von der Tatsache, dass Pacey Tamara nichts über das Video erzählt). Ihre Storyline wird dementsprechend als Gegenentwurf zum Plot um Gale, Dawson und Jen verwendet. Deshalb ist es auch emotional mitreißend, als sich zwischen Pacey und Tamara die romantischen Komponenten erst im Anschluss an die sexuelle Annäherung ergeben.
In der Videothek kommentiert Pacey Dawsons Dilemma. Er interpretiert Jens Offenbarung als Aufforderung zum Sex. Seiner Meinung nach bietet sie sich Dawson an. Was Traumtänzer Dawson natürlich ganz anders empfindet. Aber Pacey hat vollkommen recht, als er seinem Freund unterstellt, dass er „Angst davor hat“. Pacey bleibt (noch) Optimist: „Das Leben bietet manch positive Überraschung.“ Wunderbar, wie die beiden die aufgedeckten Lügen und Geheimnisse nun zusammenfassen: „Die jungfräuliche Freundin, die… - keineswegs mehr Jungfrau ist. – Der schlitzohrige Musterschüler… - der eine Affäre mit seiner Englischlehrerin hat. – Das Paar, das heute abend seinen 20. Hochzeitstag feiert, aber keineswegs so glücklich ist, wie wir gedacht haben.“ Nachdem auf diese Weise zu Gale und Mitch übergeleitet wurde, will Dawson seinem Vater reinen Wein einschenken. Doch Mitch schwebt auf Wolke sieben und ist überglücklich. Daher bringt es sein Sohn auch nicht fertig, ihm den Abend zu vermiesen.
Jen leidet unter Dawsons Unnahbarkeit und sucht deshalb den Rat von Joey. Joey ist verwundert darüber, dass ihre Intimfeindin gerade sie ins Vertrauen zieht, nimmt sich jedoch angesichts des brisanten Themas Zeit. Joey liefert eine knappe Zusammenfassung von Dawsons nichtvorhandenen sexuellen Erfahrungen („es gibt Päpste, die erfahrener sind als er“). Joey zeigt sich ungewöhnlich vertrauenswürdig gegenüber Jen, wodurch im bisher angeknacksten Verhältnis zwischen beiden Frauen erstmals eine gewisse freundschaftliche Nähe entsteht. Unterschwellig vermittelt Joey an mehreren Stellen, dass sie für Dawson Gefühle hegt (z.B. „Ich will nur sagen, dass wohl jeder Mann, aus dem mal was geworden ist, mit 15 eine Flasche bei Mädchen war.“ Oder „Ich würde andere um Rat fragen, vielleicht auch die Falschen.“) Jen kann hier noch nicht erkennen, was Joey wirklich für Dawson empfindet. Wir Zuschauer sehen aber spätestens in ihrer Mimik, als sie sagt „Ich wäre vermutlich dumm genug, um ewig zu warten“, dass Joey in Dawson verliebt ist. Die Szene nimmt damit eine erstaunliche, bewegende Wende. Anfangs kommt Jen wegen ihres Liebeskummers zu Joey. Am Ende dreht es sich jedoch um Joeys Liebeskummer.
Endlich sehen wir Pacey und Tamara gemeinsam im Bett. Wenn auch in einer unverfänglichen, beinahe alltäglichen Situation. Tamara erledigt Korrekturaufgaben, während Pacey ein Time-Magazin liest, auf dessen Cover Haie abgebildet sind. Man kann sagen, dass er sich durch seine Zuneigung (ich vermeide noch das Wort Liebe) zu Tamara mitten ins Haifischbecken begeben hat. Pacey stellt die Frage, die wohl jeden Mann beschäftigt, wenn er eine neue Freundin hat (dieselbe Frage wird er Audrey in der 5. Staffel stellen): Mit wievielen Männern war Tamara schon zusammen? Tamara lässt die Allgemeingültigkeit der Anzahl beiseite und reduziert die Summe auf Männer, die ihr wirklich etwas bedeutet haben. Bei denen also Gefühle im Spiel waren. Und in ihrer Aufzählung kommt auch der Junge aus der High School vor, womit sie niemand anderen als ihren gegenwärtigen Lover meint. Tamara bringt damit auf subtile Weise zum Ausdruck, dass es ihr bei Pacey nicht nur auf Sex ankommt, sondern auf mehr. Die zart keimende Liebe zwischen den beiden wird damit behutsam in Worte gekleidet.
In der folgenden Sequenz spricht Jen mit ihrem bewusstlosen Großvater über die Schwierigkeiten, die sie mit ihren frühen sexuellen Erfahrungen und dem damit verbundenen schlechten Ruf hat. Ein Monolog, der seltsam wirken würde, wenn er als Selbstgespräch inszeniert worden wäre. Dass sie ihren geistesabwesenden Großvater als Ansprechpartner wählt, macht die Sache allerdings plausibel. Und verleiht der Situation auch eine emotionale aufgeladene Atmosphäre. Diese Aussprache mit ihrem Großvater wird sich in # 112 noch einmal wiederholen und dabei noch wesentlich anrührender sein. Im Audiokommentar von Kevin Williamson erfahren wir, dass Michelle Williams beim Casting eine derartige Szene mit ihrem Großvater vorspielen musste. Und dass die Produzenten schwer bewegt waren, was mitunter den Ausschlag für ihre Besetzung gab.
In den letzten 5 Minuten gibt es die große, langerwartete Szene zwischen Dawson und Joey. Dawson, der Meister des Grübelns, sitzt im Mondschein bei den Ruinen und denkt über alles nach, als sich Joey nähert. Mit der Star Trek-Anspielung „Phaser auf Betäubung. Ich komme in Frieden“ will Joey das Eis brechen. Die Distanz und Kälte, die anfangs zwischen beiden herrscht, wird durch den anschließenden Dialog abgebaut und verwandelt sich in eine herzerwärmende Nähe. Die Szene bildet den Höhepunkt der Folge: das Schauspiel von Holmes und van der Beek, die Dialoge, die Musik, das Licht – großes Kino. Nachdem Joey den ersten Schritt auf Dawson zugegangen ist, erwidert dieser, dass er nicht mehr weiß, ob sie überhaupt noch Freunde sind. Innerhalb weniger Minuten dreht Autor Jon Harmon Feldman diese Feindseligkeit vollkommen um. Im Dialog tauchen Metaphern wie Sozialdarwinismus und Museum auf, die überleiten zum eigentlichen Kern der Beziehung zwischen Joey und Dawson – dem der ewigen Verbundenheit. Die beiden malen sich ein Alternativ-Universum aus, in dem sie schon längst verheiratet wären. Auf der Hochzeitsfeier wären aber auch ihre Lover zugegen. „Und am Ende des Tages die unvermeidliche Frage: wen soll man mit nach Hause nehmen? Die Geliebte oder die Frau?“ Als Joey sagt „Deine Augen wandern langsam hin und her. Von ihr… zu mir… und wieder zu ihr“ antwortet Dawson „… und wieder zu dir.“ Großartig, wie das Band zwischen beiden wieder verknüpft wird. Wir spüren, dass auch Dawson auf eine Art und Weise für Joey empfindet, die über das Freundschaftliche hinausgeht. Wenn in späteren Folgen die Aussage getroffen wird, dass Dawson lange Zeit gebraucht hat, um sich seine wahren Gefühle für Joey einzugestehen, dann finden wir genau hier einen ersten Ansatzpunkt für seine Liebe. Damit ermuntert er Joey, sich sogar noch einen Schritt weiter zu wagen. „Haben wir uns dann diese Nacht geschenkt?“ In Joeys Gesicht spiegelt sich eindeutig ihre Sehnsucht wieder. Sie liebt ihren Freund, mit Haut und Haaren. Es folgt ein Blickaustausch, Schweigen, bis bei Dawson wieder die Unsicherheit Überhand nimmt. „An dieser Stelle wird es ein bisschen verschwommen.“ Er blockt ab, kann dieses Thema – auch wenn es nur auf allegorischer Basis behandelt wird – nicht weiter vertiefen. Dafür ist es noch ein wenig zu früh. Aber es weckt beim Zuschauer ein enormes Interesse daran, wie es mit den beiden weitergehen wird. Der letzte Satz von Dawson verstärkt diese Antizipationshaltung ungemein. Joey verabschiedet sich mit dem Spruch „Egal, wie die Hochzeit ausgegangen ist. Die Zeit danach habe ich mit Sicherheit voll genossen.“ Nachdem sie gegangen ist, sagt er, nur für sich: „Ich auch.“ In gewisser Weise gesteht er sich selbst damit ein, dass Joey sein ein und alles ist. Ein im besten Sinne rührendes Ende, dass ganz in der Tradition der ersten Staffel steht und DC zu einer außergewöhnlich emotionsgeladenen Serie macht.
Fazit:
Wenn man die erste Staffel von DC als langen epischen Spielfilm betrachten will (vielleicht mit dem Titel „Mild at Heart – die Geschichte von Joey und Dawson“

), kann man die ersten vier Folgen als ersten Akt beschreiben. In den ersten drei Episoden wurden die Charaktere, ihre Beziehungen, das Setting und die Konflikte eingeführt. In der vierten Folge, die die Funktion des Plot Points am Ende des ersten Aktes übernimmt, brechen die Konflikte aus. In den nächsten Teilen, die den zweiten Akt ausmachen, wird es darum gehen, diese Konflikte auszutragen, bis es schließlich zur Auflösung kommt. Da die Serienmacher die erste Staffel komplett abdrehten, noch bevor sie ausgestrahlt wurde (und bevor sie auf Zuschauerresonanz stieß), war sie tatsächlich wie ein langer Spielfilm angelegt – unterteilt in verschiedene (Episoden-)Kapitel. Im Audiokommentar erfährt man, dass deshalb auch auf ein klassisches Finish hingearbeitet wurde. Wenn die Serie keinen Erfolg gehabt hätte und eingestellt worden wäre, würde sie dennoch für sich Bestand haben, mit Anfang, Mitte und Schluss. Bis zum (offenen) Ende der Dawson-Joey-Geschichte ist es aber noch ein Weilchen hin, deshalb später mehr.