Yavanna hat geschrieben:Hat noch keiner die neue Folge gesehen?
Erster!

Und ich kann allen, die irgendwie die Chance haben, auch nur raten, sich die Folge unbedingt anzusehen. Es war wieder einmal Fernsehen der Extraklasse, was das Veronica Mars-Team da auf die Beine gestellt hat. In der Retrospektive erscheinen die beiden ersten Folgen der neuen Staffel im Hinblick auf emotionale Spannung und Dramaturgie/Tempo gleich noch eine Spur unausgegorener als vorher.
Zu den einzelnen Plots:
Monster der Woche: Big Dick Casablancas
Eine unglaublich dichte Geschichte. Natürlich immer stark, wenn der Fall der Woche Charaktere betrifft, die von Regulars gespielt werden, da dann gute Interaktionen zwischen den Charakteren entstehen. Unterhaltsam Veronica und Kendall (einmal mehr überzeugend Charisma Carpenter). Toll on-screen Cassidy und Veronica (gut aber nicht aufdringlich begleitet durch die Regie, Veronica behandelt ihn herablassend, steht dabei auf irgendwelchen Stufen, die ganze Auftragsvergabeunterhaltung eine Kameraeinstellung (70 Sekunden! Ein starker Beleg für die Klasse der Schauspieler)).
Sowieso, der Schauspieler von Cassidy (Kyle Gallner) gefällt mir immer besser. Es kommt fantastisch 'rüber, dass er jemand ist, der irgendwie fehlt am Platz ist, vom intellektuellen Vermögen und Anspruch gar nicht in das Umfeld reinpasst, in dem er lebt und in ganz anderen Kategorien denkt als Dick und sein Vater. Vermutlich hätte sein Vater die kleine Affäre von Kendall gar nicht so hoch gehängt (vor allem, wenn sie gleichzeitig ihren "Pflichten als Trophy-Wife" weiter gut nachgekommen ist und weil sie ja auch und vor allem Komplizin ist). Cassidy nimmt das ernst, beauftragt Veronica und bringt damit das Kartenhaus zum Einsturz, auf dem das Vermögen der Familie aufgebaut ist. Das ist Tragik im wahrsten Sinne des Wortes! Und gut gemachtes Fernsehen!
Und es bleiben sooo viele Entwicklungsmöglichkeiten für diese Storyline! Was passiert mit Cassidy? Wie reagiert sein Bruder? Wie verhalten sich Dick und Cassidy zu Logan? Wie verhält sich Dick zu Veronica? Wie reagiert der Vater auf das Ganze? (Ich fand gerade seine erste Reaktion nach Blick auf die Bilder von Kendall und dem Assessor toll. Er will seinen Sohn wütend schütteln, aber reißt sich dann doch irgenwo zusammen. Das "Oh, son..." hatte in meinen Augen dann schon fast etwas liebevolles, als hätte er ihm die Dummheit schon verziehen. Im Kontrast dazu der fehlgeschlagene Versuch von Cassidy zu seinem Vater freundlichen Blickkontakt herzustellen, als der seinen Vortrag in der Schule hält. Lebensnahe Widersprüchlichkeit.)
Dann als weiteres Element dieser Storyline: der Lehrer der Future Business Leaders of America. Mir gefällt wirklich nur wenig besser im Fernsehen als aufmerksam charakterisierte Nebencharaktere und der Lehrer (Mr. Pope) ist in meinen Augen geradezu ein Prototyp für einen solchen Charakter. Zum einen ist da die Faszination für die Wirtschaft und deren Akteure, für die Möglichkeit, durch kühnes Handeln, Verkaufen, reich zu werden. Der Traum von einem Leben ohne Geldsorgen (Die Segelyacht!). Da ist auch das Auge für gute Geschäftsgelegenheiten und die Fähigkeit, wirtschaftlich zu kalkulieren (die Performance des Aktienportfolios).
Aber: warum geht so ein Mensch nicht in die Wirtschaft? Warum unterrichtet er "nur" Wirtschaft an einer Schule? Letztlich ist es die Angst vor verkäuferischem Handeln, die Angst, dass ein gutes Geschäft für einen selbst ein schlechtes Geschäft für jemand anderen sein könnte, die Angst davor, die eigenen Einsichten, in die Tat umzusetzen. Vor diesem Hintergrund mehr als verständlich die Reaktion auf Veronicas Offenbarungen und der Impuls die Aktien nicht zu verkaufen. Klar, dass es (gerade in den USA) als Insider-Handel auch strafbar ist, das zu tun. Aber es sind diese moralischen Bedenken, die auch in Deutschland viele wirtschaftlich begabte Menschen dazu treibt, sich als Lehrer o.ä. zu betätigen. Natürlich bleibt offen, ob er seine Anteile nicht vielleicht doch verkauft, ihn der Blick auf die Yacht, nicht zur Einsicht verleitet, doch seine eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Aber das ist egal, es kommt darauf an, dass es der Serie in drei (zweieinhalb) Szenen gelingt, einen solchen komplexen Charakter glaubhaft aufzubauen und zu motivieren. Stark unterstützt durch Michael Kostroffs schauspielerische Leistung. Würde mich freuen, wenn er mal wieder in der Serie auftaucht.
Die kleinen Inkonsistenzen bei den Ermitllungen (hängt Kendall den Ipod nie ab oder legt ihn falschrum hin? Wieviele Bilder können auf einem 1GB-Ipod gespeichert werden, wenn der schon voll Musik ist?) und Zufälle (gerade in DER Woche hält Papa Casablancas einen Vortrag in der Schule?) haben micht zwar kurz genervt, lassen sich aber sicher irgendwie plausibilisieren.
Bus-Mystery
Clever wie immer natürlich die Interaktion zwischen Lamb und Veronica Mars. Schön subtil auch wie der Link zwischen Papa Echolls und dem Toten hergestellt wurde. Da bin ich wirklich gespannt, wie das weitergeht. Ich glaube ja noch nicht, dass der Stuntman wirklich der Böse war. Und wieso sollte er sich ausgerechnet den Namen seines Opfers auf die Hand schreiben? Jede Menge Ungereimtheiten...
Veronica/Duncan/Logan
Endlich haben sie das Tempo rausgenommen! Und die Dramatik nimmt zu. Toll die Prügelszene (clever-böse auch Logans auslösender Spruch "you didn't plug her right the first time"). Intensiv die Auseinandersetzung im Krankenzimmer und brutal traurig Logans Kampf mit den Tränen. Ich kann mich wirklich kaum erinnern, männliche Emotionalität und Verletztlichkeit von einem so jungen Schauspieler deart überzeugend präsentiert zu bekommen.
Noch besser natürlich die Szene zwischen Loan und Veronica in Logans Zimmer! Und Logan hat soo recht, "so you storm out in a burst of professionalism?". Natürlich nicht. Sie ist verletzt. Aber sie will es sich nicht eingestehen. Und so werden Liebende zu Antagonisten. Cool auch, dass Veronica Logans Todessehnsucht diagnostiziert. Aber nicht sieht, dass sie helfen könnte.
Und das macht die Serie für mich aus. Die Widersprüchlichkeiten, die das Leben so mit sich bringt, werden ernst genommen. Logans und Veronicas Hassliebe. Die Widersprüche zwischen Veronicas Reden und Handeln (sie kritisiert die Reichen und hängt doch mit den 09ern lieber rum als mit den anderen Kids, sie spricht von ihrer Verantwortung gegenüber Logan, aber ein Spruch auf dem AB reicht nicht aus, sie muss ihn persönlich konfrontieren?). Die Tatsache, dass sich Logan, Weevil, Cassidy und Dick sowie deren Vater nicht eindeutig als Böse identifzieren lassen.
Ach, ich freue mich über diese Serie. Merkt man wahrscheinlich nicht, was?
Noch ein paar lose Kommentare zur Folge:
- Jackie? Ich mag sie nicht. Und finde sie schlecht gespielt.
- Toll, dass die abfälligen Bemerkungen über Pride&Prejudice so eine interessante Diskussion auf dem TWOP-Messageboard ausgelöst haben. Und dass Duncan sich als einziger von Jane Austen fesseln lässt.
- Keith/Alicia. Alicia hat eine dunkle Vergangenheit? Überflüssig. Nicht im Charakter angelegt. Erinnert mich ein wenig an 24, wo mich vor allem nervt, dass jeder und alle heimlich etwas ganz anderes sind und denken.
- Mein Dialog der Woche:
Lamb: You're 18 now, kiddo, you're an adult.
Veronica: Well, that makes one of us.
- Süß Veronica: Hello Jackie and... random dude.
- Gut auch die unständige Kendall nachdem sie sieht, dass Veronica versucht, Logan anzurufen:
Kendall (sieht den Namen auf dem Display): Veronica? Is my little boy cheating on me?
Logan: It's just someone from school.
Kendall: Ooh, a school-girl. Should we invite her over? I have a boy-toy, a girl-toy would spice things up a little.
- Musik: Diesmal wieder nicht so inspirierend. Die Karaoke-Szene (gesungen hat ja wohl einer von den Dandy Warhols, der Band, die den Titelsong singt) hat mir nicht gefallen, die Interpretation des Lieds Love hurts fand ich mehr nervig als schlecht. Gut natürlich, das gangster-rappige bei Big Dick Casablancas Abgang. Mit der Musik kann ich aber nur wenig anfangen.
- Continuity: Super Logans inspirational message auf dem AB. Immer wieder witzig.