Seid ihr unkritische, tolerante oder kritische Zuschauer?

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philomina
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Seid ihr unkritische, tolerante oder kritische Zuschauer?

Beitrag von philomina »

Wir hatten schon verschiedene serienübergreifende Themen, wie Wie vorhersehbar sind Serien? oder Wo liegen eure Prioritäten in Serien?, aber da ich heute morgen in einer Review bei den Kollegen zu "Revolution" eine Zusammenfassung einer so genannten Toleranztheorie der Filmrezeption gelesen habe, dachte ich, das ist ein guter Aufhänger, die Diskussion nochmal anzukurbeln.
Serienjunkies hat geschrieben:Die Medienwissenschaftlerin Saskia Böcking hat eine so genannte Toleranztheorie der Filmrezeption aufgestellt, derzufolge es drei verschiedene Verarbeitungsmodi von (fiktionalen) Filminhalten gibt: Erstens, die unkritische Verarbeitung. Das ist für die meisten Zuschauer der Standardmodus: Wir glauben das, was wir da erzählt bekommen, zunächst unhinterfragt. Wir wissen, dass es Fiktion ist. Aber so lange wir eine Wirklichkeitsnähe erkennen und etwaige Fehler in Sachen Realitätsgehalt und Handlungslogik unsere Wahrnehmungsgrenze nicht überschreiten, befinden wir uns in der Illusion.

Zweitens, die tolerante Verarbeitung. Uns fallen in einer Filmhandlung Dinge auf, die entweder unrealistisch und/oder unlogisch sind, aber wir sind in der Lage diese Verletzungen von Wirklichkeitsnähe und Handlungslogik zu ignorieren beziehungsweise wegzuinterpretieren und können dadurch weiterhin in der Illusion bleiben. Drittens, die kritische Verarbeitung. Die Reizintensität durch unrealistische oder unlogische Handlungselemente ist so groß, dass der Zuschauer sie nicht länger hinnehmen kann - und deshalb in einen kritischen und ablehnenden Rezeptionsmodus überwechselt. Er ist nicht länger in der Illusion, sondern sucht nun regelrecht nach weiteren Fehlern, die seine Hypothese bestätigen, dass sich die Handlung nicht zu einem wirklichkeitsnahen und logisch geschlossenem Ganzen zusammensetzen lässt.
Bei mir beobachte ich bei unterschiedlichen Serien auf jeden Fall alle drei Verarbeitungstypen.
Wie sieht das bei euch aus? Findet ihr bei euch hauptsächlich einen der Verarbeitungstypen? Oder zwei oder alle 3? Bei welchen Serien, und was glaubt ihr, woran das liegt?
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Insomniac
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Re: Seid ihr unkritische, tolerante oder kritische Zuschauer?

Beitrag von Insomniac »

Meistens gehöre ich zur 2. Kategorie und bin ein toleranter Zuschauer. Ein bisschen stören tun mich Ungereimtheiten/Logikfehler schon meistens, aber wenn ich eine Serie wirklich mag, dann kann ich da echt drüber hinwegsehen.

Ein größeres Problem wird das mit dem "Unrealistischen" aber je länger eine Serie dauert. Wenn eine Serie schon länger läuft, ist es ja meistens so, dass den Machern langsam die guten Ideen ausgehen und wenn das bei meinen Lieblingsserien passiert, dann kann ich mitunter schon einen sehr kritischen Standpunkt einnehmen, weil ich da einfach mehr erwarte und besseres gewohnt bin. Ein Beispiel wäre da bei mir zur Zeit Grey's Anatomy. Die Serie habe ich früher geliebt, schaue sie aber mittlerweile hauptsächlich nur mehr, weil ich die Charaktere und die Darsteller so sehr mag. Mich stört es mittlerweile ziemlich, dass hier die Konflikte der Charaktere fast nur mehr aus Katastrophen/Unfällen die den Hauptpersonen zustoßen, erzeugt werden. Busunfälle, Autounfälle, unheilbarer Krebs, Amokläufer im Krankenhaus, ... sehr unglaubwürdig, dass das alles immer genau den Ärzten im Seattle Grace Hospital zustößt.
Meistens ist es bei mir aber ohnehin so, dass ich Serien aufhöre anzuschauen, wenn mir die Geschichte zu blöd wird. Mir fällt grad auf, dass ich fast keine länger laufende Serie wirklich durchgehend bis zum Ende gesehen habe. Die einzige die mir da einfällt ist Gilmore Girls.
And I am done with my graceless heart
So tonight I'm gonna cut it out and then restart
Shalimar

Re: Seid ihr unkritische, tolerante oder kritische Zuschauer?

Beitrag von Shalimar »

Bei mir kommt es auf drauf an wie lange eine Serie schon läuft.

Bei Neustarts bin ich sehr tolerant. Schließlich dauert es einfach ein wenig bis man in die Story reinfindet. Klar es gibt immer wieder Serien, die mich von der ersten Folge aus in ihren Bann ziehen, so wie OuaT, Revenge oder Nikita. Aber bei anderen dauert es einfach ein wenig bis man mit ihnen warm wird. Bei 666 beobachte ich das momentan. Die ersten Folgen waren ja noch nicht so mein Ding, aber wegen Terry O'Quinn und auch dem restlichen Cast, bin ich dran geblieben und nun mittlerweile fang ich an die Serie zu mögen. Bei TVD dachte ich mir auch am Anfang "oh gott die Krähe und der Fake-Nebel" aber nun bin ich ein richtiger Suchti der Serie geworden.

Das große Problem bei mir ist, wenn eine Serie länger geht. Da werden die Erwartungen natürlich immer sehr hoch geschraubt.
Ein größeres Problem wird das mit dem "Unrealistischen" aber je länger eine Serie dauert. [...] Ein Beispiel wäre da bei mir zur Zeit Grey's Anatomy. Die Serie habe ich früher geliebt, schaue sie aber mittlerweile hauptsächlich nur mehr, weil ich die Charaktere und die Darsteller so sehr mag. Mich stört es mittlerweile ziemlich, dass hier die Konflikte der Charaktere fast nur mehr aus Katastrophen/Unfällen die den Hauptpersonen zustoßen, erzeugt werden. Busunfälle, Autounfälle, unheilbarer Krebs, Amokläufer im Krankenhaus, ... sehr unglaubwürdig, dass das alles immer genau den Ärzten im Seattle Grace Hospital zustößt.
Kann ich so nur unterschreiben! Gerade bei Grey's fällt mir das immer extrem auf. Auch das anscheinend keine Beziehung so richtig funktioniert und Charaktere sterben wie die Fliegen.

Gerade das Töten von Charakteren hat bei mir immer eine sehr negative Wirkung! Es ist einfach unrealistisch, dass andauernd wer stirbt. (zB. In PLL; bei TVD nervt es mich, dass immer super Charaktere sterben, allerdings kann man hier noch ein bisschen "Realismus" erkennen, schließlich leben die mit Vampiren etc in einer Stadt)

Wo ich sehr tolerant bin sind Action Serien. Mir ist klar, dass eine zierliche Frau keine drei Schränke fertig machen kann, das Spezialwaffen nicht einfach so ausm Ärmel geschüttelt werden, wenn man sie gerade benötigt oder das man keine Verletzungen nach nem Sturz ausm Fenster erleidet. Aber hierbei geht es mir vor allem um die Unterhaltung und die SL (siehe Nikita und Arrow)

Logikfehler stören mich natürlich auch, meistens ignoriere ich sie aber. Leider sind solche Fehler gern in Mystery/Science Fction/Fantasy zu erkennen. Die Geschichte wird ausgebaut, da kann es schon mal zu Ungereimtheiten kommen. (Beispiel TVD Klaus als Hybrid, der andere Hybriden erschaffen möchte. Diese sind ja so stark und fies, dass sie eine große Bedrohung darstellen. Mittlerweile sterben sie aber schneller wie ganz normale Vampire und von einer wirklichen Gefahr kann man leider nicht reden).

Ein Punkt, der mich aber wirklich stört sind Plotholes bzw. Szenen die einfach angebracht gewesen wären für die SL. Dies muss ich einfach kritisieren! Lieber mal ne Folge mit nicht so schneller Handlung aber dafür mit Charakterentwicklung. (Bsp. elena und Jeremy, die kaum Zeit miteinander verbringen oder auch Sean und Alex. Er gesteht ihr seine Liebe aber die beiden hatten noch nicht mal ein Date bzw. sie verbrachten nicht viel Zeit als Paar miteinander. Zumindest hat man es halt nicht gesehen)
chandy

Re: Seid ihr unkritische, tolerante oder kritische Zuschauer?

Beitrag von chandy »

Ich glaube das kommt immer auf meine Stimmung und meinen persönlichen Bezug zur Serie an. Bei Serien mit einem historischen Hintergrund auch auf meinen Wissensstand. Zur ersten Gruppe gehöre ich nur solange, wie eine Serie eher meiner Unterhaltung dient und man sie gut nebenbei gucken kann. Sobald ich sie zu Serien zähle, die ich mag oder liebe bin ich auf jeden Fall in der 2. Gruppe. In Gruppe 3 komme ich, wenn ich Serien eher weniger mag oder wenn es sehr, sehr grobe Fehler sind.
Auf jeden Fall bin ich eine Zuschauerin, die sich intensiv mit Serien auseinander setzen kann, wenn sie es mir wert sind und die nicht alles frisst, was man ihr vorsetzt, habe aber auch gerne mal was, wo ich nicht nachdenken brauch oder will. Und bei Serien wie "Die wilden 70er" oder so, oder auch bei Arztserien fallen mir Fehler auch weniger auf, da sind es dann eher Logikfehler in der Geschichte, als wirklich reale Fehler und da kommt es darauf an, wie wichtig mir auch bestimmte Handlungsstränge sind.
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Lin@
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Re: Seid ihr unkritische, tolerante oder kritische Zuschauer?

Beitrag von Lin@ »

Weil ich gerade drüber gestolpert bin: How We Love Television Today
Sehr treffender Artikel, der Zuschauer danach klassifiziert, in welcher Form und Tiefe sie sich mit Serien auseinandersetzen. Ich persönlich finde mich ja interessanterweise (abhängig von der Serie) wirklich in jeder einzelnen Beschreibung wieder, wobei "casual viewer" und "debater" bei mir eindeutig überwiegen:
THE CASUAL VIEWER
Casual Viewers love television, but they’re not invested in its paratexts — the tremendous amount of materials that emanate from the text proper, whether in the form of HBO “After the Episode” interviews, recaps, or more explicit offshoots like The Talking Dead. The Casual Viewer can really enjoy the show, but that show doesn’t manifest in what are sometimes known as “fandom” activities — they might do some mild proselytizing at a dinner party (“it’s so good!”) but this viewer is not writing fan fiction [...] The casual fan likes not loves, dislikes not loathes — and probably couldn’t tell you exactly what happened [...] in a year, but liked it just fine when it was on the television.

THE UBER FAN
The Uber Fan has drank the show’s Kool-Aid, and it can do no wrong. These are the people who defended the Lost finale, or who refuse to hear your critiques of The Wire Season Five. The Uber Fan wants to be best friends with the showrunner, and may or may not own a shirt from CafePress with a t-shirt or character likeness. The Uber Fan derives enormous pleasure from the shows mere existence, often because it speaks to something in him/her that other shows do not, and as a result, he/she is willing to forgive all wrongs. [...] the fetishization of the show and immunization from critique remain constant.

THE SOCIAL VIEWER
For this viewer, television’s fun, but watching as a group — either a literal or digital one — is even better. [...] Twitter has facilitated a broader, wittier form of social viewing in which immediate (and, crucially, public) response becomes as creative as the show itself. It’s less about the text, in other words, than how you can perform your response to it.

THE CONSPIRACY THEORIST
The conspiracy theorist loves thinking outside the bounds of the proffered text, and his/her primary pleasures are in the spaces between the episodes and seasons, when its potential meanings/futures become malleable. In many ways, the actual text itself becomes inconsequential: the pleasure derives from the doors it opens, not the ones it closes. Many conspiracy theorists are incompletists — they’ve crafted their own canons that fit or suggest more expansive theories of the show and its place.

THE DEBATER
You know what’s better than watching a show? Talking about it all day long. The Debater loves to write and think and discuss the show in whatever way they can, but unlike the Uber Fan, he/she is open, even hungry, for disagreement. The Debater wants to talk about race, and sexuality, and gender and class and all the other things that the show isn’t really “about” but is, at bottom, manifesting, which is why The Debater is always asking “what makes this interesting?” not (necessarily) “what makes this good?” But the Debater is also, at bottom, less compelled by the intricacies of the show than the rhetorical maneuvers of its reception

THE HATER
The Hater watches with the explicit intent of scorching the very earth the text treads — and, hopefully, pissing off (or at least prompting invective) from those who hold it dear. The Hater highlights plot holes, character inconsistencies, and general highfalutin ridiculousness [...] You can also watch a show that’s ideologically preposterous [or] revel in that ridiculousness — but the principle is the same: you watch, and find pleasure, in a show’s badness.

THE HOLD SACRED
The Hold Sacred is usually a Debater — he/she loves television and the conversations it sparks, and is usually willing to interrogate the most intimate of televisual pleasures. But sometimes a show comes along [...] that you just want to hold close and love — that you don’t want to expose to the harsh, puncturing reality of the Debate. Deep down, you see its flaws, but amidst an environment of constant rehash and recycle, you want to return to the days when you consumed — and loved — a show on its own terms, in your own mind.
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