Die besten Gedichte der Welt

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Moderator: Freckles*

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Blondchen
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Beitrag von Blondchen »

Ich fand "Nur liebend ist dein Herz ein Herz" total schön!
Ich hab auch noch ein paar:

Ein Morgen, an dem frischer Schnee fällt

Die Straßenbahnen
sind sehr gelb
und fahren
leiser
als gewöhnlich.

Der Zeitungsstand
blüht

in der Dämmerung.
Viele Menschen
sind unterwegs,
sie denken,
das Dasein ist schön.

Wie weich
die Umrisse
der Autos sind

Der spröde Duft.
Man sollte jetzt
weit gehen können,
denn man geht
über der Erde.

Man sieht
nur eine Ruflänge weit.
Aber seltsam,
dass sich die Jahre
zwischen den Alleebäumen
öffnen.

Die Laternen
brennen
wie hinter der Welt.
Die Radfahrer
haben Mühe
vorwärts zu komme:

Ein Morgen,
an dem frischer Schnee
fällt.

Walter Helmut Fritz



Irgendwann dienstags

Ich hab' mir gerade ein Buch gekauft
und mittags was getrunken mit Freunden
und geh' jetzt nach Hause und schau' plötzlich
auf die Dinge und Menschen, als hätte ich nie nie draufgeschaut,
es ist wie das Anprobieren einer neuen Brille
mit zu starken Gläsern,
vor mir haben die Arbeiter eine Baustelle aufgebaut,
und ich habe die Aufgabe mich zuurechtzufinden,
ein Taxifahrer bremst nur deshalb, um mir zu zeigen,
dass er mich hätte totfahren können,
und dort geht ein Mann die Stufen zur Kirche hoch
und kämmt sich dabei die Haare.
Irgendwann dienstags.
Was will er? Will er beichten? Sucht er Liebe dort in
seiner Einsamkeit? Verflucht er das Leben? Oder liest er
nur die Stromrechnung vom Zähler?

Irgendwann dienstags geht das Telefon,
und gleichzeitig klingelt es, und einer schiebt 'ne Zeitung
unter der Tür durch, alle warten auf das Neue, das nicht kommt
oder bereits vergessen ist,
das Buch ist gelesen,
alles ist ein wenig weitergegangen,
im Kino, im Leben,
irgendwo.
Und Gott geht unerkannt nach Hause,
duzt die Sünder und betritt menschenscheu
das Paradies.

Wolf Wondratschek



Fünfzehnte Reihe

Soldaten in Stellungen
zählende Offizieree: tote Feinde
reihenweise
dann eine Frau die weinte sehr
(wo Asiaten sonst doch immer)

und einer lag
in der Gegend herum
dem fehlte Verschiedenes

die meisten lagen krumm und verdreht
mit weit geöffneten Augen
in denen nichts zu sehen war

die Kinder bekamen genug
zu essen
sie schrien auch nicht mehr

dann fing der Hauptfilm an
wir saßen fünfzehnte Reihe.

Nicolas Born


.. und das letzte Gedicht..



Willkommen und Abschied

Es schlug mein Herz, geschwind zu
Pferde;
Es war getan, fast eh' gedacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht;
Schon stand im Nebelkleid die Eiche,
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.

Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch frisch und fröhlich war mein
Mut:
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!

Dich sah ich, und die milde Freude
Floss von deinem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosafarbenes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich - ihr Götter!
Ich hofft' es, ich verdient' es nicht!

Doch ach, schon mit der Morgensonne
Verengt der Abschied mir das Herz:
In deinen Küssen welche Wonne!
In deinem Auge welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zu Erden
Und sahst mir nach mit nassem Blick:
Und doch, welch Glück geliebt zu werden!
Und lieben, Götter, welch ein Glück!

Johann Wolfgang von Goethe



Puh, jetzt hab ich mir aber den Wurm getippt, sind nämlich alle aus meinem Deutschbuch!
Hoffe, es ist das ein oder andere dabei, was euch gefällt.
Liebe Grüße,
das Blodchen
"Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss nur alles verstehen."
Marie Curie
JENNA RINK

Beitrag von JENNA RINK »

hier ist ein auszug aus kästners gedicht.es ist meine lieblingsstelle:


sie waren traurig,betrugen sich heiter
versuchten küsse,als ob nichts sei.
und sahen sich an wußten nicht weiter
da weinte sie schließlich und er stand dabei.

vom fenster aus konnte man schiffen winken
er sagte, es wäre schon viertel nach vier
und zeit, irgendwo kaffee zu trinken
nebenan übte ein mensch klavier
Lenya

Beitrag von Lenya »

Oh ja, Willkommen und Abschied liebe ich auch :)
JENNA RINK

Beitrag von JENNA RINK »

es gibt so viele tolle gedichte
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Blondchen
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Beitrag von Blondchen »

Vorallem verstehe ich die Leute nicht, die bei dem Wort "Gedicht" schon eine Grimasse ziehen, als ob sie in den sauren Apfel ihrer Dummheit gebissen hätten! Ich meine, wenn mir jemand sagt, ich hasse Goethe, weil ich der Ansicht bin, der schreibt ziemlich kopliziert, ist das okay für mich, aber deswegen sind doch nicht alle Gedichte dieser Welt total bescheuert!
Aber das sind auch die Sorte Menschen, die in ihrem Leben zwei Bücher gelesen haben und das waren natürlich Schulleküren... :roll:
Tja, die Klugen sterben zuerst, man muss sich direkt schämen, dass man noch lebt!
"Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss nur alles verstehen."
Marie Curie
salt wound routine

Beitrag von salt wound routine »

Habe hier viele, viele tolle Gedichte gelesen. Mag 'Zu Sophiens Geburtstag' von Novalis auch sehr gern. Besonders die ersten drei Strophen.






Wer ein holdes Weib errungen
Stimme seinen Jubel ein.
Mir ist dieser Wurf gelungen
Töne Jubel – die ist mein.
So hat nie das Herz geschlagen
Nie so hoch und nie so gut.
Künftig neigt vor meinen Tagen
Selbst der Glücklichste den Hut.

Fest umschlingt den Bund der Herzen
Nun der Ring der Ewigkeit,
Und es bricht der Stab der Schmerzen
Am Altar der Einigkeit.
O –! im Himmel ist geschlossen
Unsrer Herzen süßer Bund.
Ist ein beßrer Spruch entflossen
Je des Schicksals weisen Mund?

Dir gehört nun was ich habe,
Was ich denke fühle bin,
Und du nimmst nun jede Gabe
Meines Schicksals für dich hin.
Was ich sucht, hab ich gefunden,
Was ich fand, das fand auch mich,
Und die Geißel meiner Stunden
Zweifelsucht und Leichtsinn wich.

Nimmer soll mein Mund dich loben
Weil mein Herz zu warm dich ehrt.
Tief im Busen aufgehoben
Wohne heimlich mir dein Wert.
Wenn ich wunde Herzen heile
Jede Stunde besser bin
Nie im Guten lässig weile
Dieses Lob nimm dir dann hin.

Liebes Mädchen deiner Liebe
Dank ich Achtung noch und Wert,
Wenn sich unsre Erdenliebe
Schon in Himmelslust verklärt.
Ohne dich wär ich noch lange
Rastlos auf und ab geschwankt,
Und auf meinem Lebensgange
Oft am Überdruß erkrankt.

Wenn nur unsre Mutter wieder
Frisch und ledig bei uns steht
Und im Kreise unsrer Brüder
Stolz die Friedensfahne weht.
Wenn dann noch ein Süßer Trauter
Unsre Lolly fest umschlang –
O –! Dann tönt noch zehnfach lauter
Unsres Jubels Hochgesang.

Wenig still durchhoffte Jahre
Leiten unverwandt zum Ziel,
Wo am glücklichen Altare
Endet unsrer Wünsche Spiel,
Uns, auf ewig Eins, verschwinden,
Wölkchen gleich, des Lebens Mühn
Und um unsre Herzen winden
Kränze sich von Immergrün.
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Blondchen
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Beitrag von Blondchen »

Oh ja, dass ist wirklich auch ein sehr schönes Gedicht!
Woher hast Du das? :)
"Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss nur alles verstehen."
Marie Curie
Lenya

Beitrag von Lenya »

Ich hole den Thread mal wieder nach oben :)

Hab ein paar ganz tolle Gedichte gefunden:

Was es ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinning
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Erich Fried


Nur nicht

Das Leben
wäre
vielleicht einfacher
wenn ich dich
gar nicht getroffen hätte
Weniger Trauer
jedes Mal
wenn wir uns trennen müssen
weniger Angst
vor der nächsten
und übernächsten Trennung
Und auch nicht soviel
von dieser machtlosen Sehnsucht
wenn du nicht da bist
die nur das Unmögliche will
und das sofort
im nächsten Augenblick
und die dann
weil es nicht sein kann
betroffen ist
und schwer atmet
Das Leben
wäre vielleicht
einfacher
wenn ich dich
nicht getroffen hätte
Es wäre nur nicht
mein Leben

Erich Fried
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Blondchen
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Beitrag von Blondchen »

Es ist schön,
Dich ein bißchen zu kennen
und Deine Telefonnummer in meinem Kopf zu haben.
Es ist schön,
so etwas wie Liebe zwischen uns für möglich zu halten,
auch wenn alles unverbindlich ist
- wie zwischen Fremden, die sich auf der Straße zulächeln.
So ist es ein Abenteuer,
Dein Gesicht unauffällig mit meinem Blick zu streicheln,
wenn Du zur Seite siehst
und mich zu freuen,
wenn deine Augen manchmal für Sekunden strahlen und noch schöner werden, wenn sie in meine schauen.
Ja, es ist schön,
die Anfänge auszukosten und nicht nach ihrer Entwicklung zu fragen.


Leider weiß ich nicht, wer das verfasst hat, aber ich find es wirklich richtig schön!
"Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss nur alles verstehen."
Marie Curie
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Blondchen
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Beitrag von Blondchen »

Öööhm, gilt das jetzt auch als Doppelpost, wenn ich nun noch was schreib!? Aber zwischen diesem Post und dem davor, der auch von mir war, liegen etwa vier Monate, ich denke, das wird in Ordnung gehen.. :)
Schließlich soll dieser Thread ja nicht hops gehen^^

Gebet

Ich suche allerlanden eine Stadt,
die einen Engel vor der Pforte hat.
Ich trage seinen großen Flügel
gebrochen schwer am Schulterblatt
und in der Stirne seinen Stern als Siegel.

Und wandle immer in die Nacht...
Ich habe Liebe in die Welt gebracht-
dass blau zu blühen jedes Herz vermag,
und hab ein Leben müde mich gewacht,
in Gott gehüllt den dunklen Atemschlag.

O Gott, schließ um mich deinen Mantel fest;
ich weiß, ich bin im Kugelglas der Rest,
und wenn der letzte Mensch die Welt vergießt,
du mich nicht wieder aus der Allmacht lässt
und sich ein neuer Erdball um mich schließt.

(Else Lasker-Schüler)




In den Nachmittag geflüstert

Sonne, herbstlich dünn und zag,
und das Obst fällt von den Bäumen.
Stille wohnt in blauen Räumen
einen langen Nachmittag.

Sterbeklänge von Metall;
und ein weißes Tier bricht nieder.
Brauner Mädchen rauhe Lieder
sind verweht im Blätterfall.

Stirne Gottes Farben träumt,
spürt des Wahnsinns sanfte Flügel.
Schatten drehen sich am Hügel
von Verwesung schwarz umsäumt.

Dämmerung voll Ruh und Wein;
traurige Guitarren rinnen.
Und zur milden Lampe drinnen
kehrst du wie im Traume ein.

(Georg Trakl)
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Catherine
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Beitrag von Catherine »

Blondchen hat geschrieben:Öööhm, gilt das jetzt auch als Doppelpost, wenn ich nun noch was schreib!? Aber zwischen diesem Post und dem davor, der auch von mir war, liegen etwa vier Monate, ich denke, das wird in Ordnung gehen.. :)
Schließlich soll dieser Thread ja nicht hops gehen^^
Klar sowas geht in Ordnung. ;) Mit Doppelposts meinen wir ja auch eher solche, wenn kurz nacheinander gepostet wird, also eher unnötig.
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Blondchen
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Beitrag von Blondchen »

Prima.. Sowas in der Art dachte ich mir auch schon, wenn man zwischen zwei Beiträgen nur zwei Stunden lässt, hätte man auch editieren können.
Hätt' ich hier auch, aber das schien mir ein bisschen blöd.
Egal, jedenfalls lieben Dank für Deine Rückmeldung, "Chef" ;) :D
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Marie Curie
Lenya

Beitrag von Lenya »

Nachtfalter

Nachtfalter kommen verloren
Wie Gedanken aus dem Dunkel geboren,
Sie müssen dem Tag aus dem Wege gehen
Und kommen zum Fenster um hellzusehen.
Und in die Nachstille versunken,
Flattern sie zuckend und trunken,
Sie haben nie Sonne, nie Honig genossen,
Die Blumen alle sind ihnen verschlossen.
Nur wo bei Lampen die Sehnsucht wacht,
Verliebte sich grämen in schlafloser Nacht
Da stürzen sie in das Licht, sich zu wärmen,
Das Licht, das Tränen bescheint und Härmen:
Die Falter der Nacht, die Sonne nie kennen,
Sie müssen an den Lampen der Sehnsucht verbrennen.

von Max Dauthendey
O.C.-Freak

Beitrag von O.C.-Freak »

Ist zwar nur ein kurzes Gedicht, aber ein sehr schönes!

Zwischen Tieren sind wir jetzt schon Fremde
Zwischen Gräsern, zwischen Bäumen auch.
Fremd ist uns der Erdgeruch der Moose.
Uns verwirrt der Wind. Des Regens Hauch.

Uns're Liebe ist daheim in Städten
Ihre Landschaft lässt uns sorglos sein.
Zwischen ihren Lärmen und Gerüchen
Fühlen wir uns sicher. Und allein.

Und allein - Heinz Kahlau
Lenya

Beitrag von Lenya »

@O.C. Freak: Das ist aber wirklich ein sehr schönes Gedicht :)
O.C.-Freak

Beitrag von O.C.-Freak »

Danke ;) Hab es mal in der Schule gehört und fand es echt klasse!

Hier eines von Friedrich Schiller, das mir auch sehr gut gefällt.

Träum' ich? Ist mein Auge trüber?
Nebelt's mir ums Angesicht?
Meine Minna geht vorüber?
Meine Minna kennt mich nicht?
Die am Arme seichter Toren
Blähend mit dem Fächer ficht,
Eitel in sich selbst verloren -
Meine Minna ist es nicht.

Von dem Sommerhute nicken
Stolze Federn, mein Geschenk,
Schleifen, die den Busen schmücken,
Rufen: Minna, sei gedenk!
Blumen, die ich selbst erzogen,
Zieren Brust und Locken noch -
Ach die Brust, die mir gelogen!
Und die Blumen blühen doch!

Geh! Umhüpft von leeren Schmeichlern!
Geh! Vergiss auf ewig mich.
Überliefert feilen Heuchlern.
Eitles Weib, veracht' ich Dich.
Geh! Dir hat ein Herz geschlagen,
Dir ein Herz, das edel schlug,
Groß genug den Schmerz zu tragen,
Dass es einer Thörin schlug.

Schönheit hat Dein Herz verdorben,
Dein Gesichtchen! - Schäme Dich!
Morgen ist sein Glanz erstorben,
Seine Rose blättert sich.
Schwalben, die im Lenze minnen,
Fliehen, wenn der Nordwind weht.
Buhler scheucht Dein Herbst von hinnen,
Einen Freund hast Du verschmäht.

In den Trümmern Deiner Schöne
Seh' ich Dich verlassen gehn,
Weinend in die Blumenszene
Deines Mai's zurücke sehn.
Die mit heißem Liebesgeize
Deinem Kuss entgegen flohn,
Zischen dem erloschnen Reize,
Lachen Deinem Winter Hohn.

Schönheit hat Dein Herz verdorben,
Dein Gesichtchen! - Schäme Dich!
Morgen ist sein Glanz erstorben,
Seine Rose blättert sich -
Ha! Wie will ich dann Dich höhnen!
Höhnen? Gott bewahre mich!
Weinen will ich bittre Tränen,
Weinen, Minna! Über Dich.

An Minna - Friedrich Schiller
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Blondchen
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Beitrag von Blondchen »

Ah ja, das kenn ich auch! Ich lese gerad sämtliche Werke von Schiller und da ist mir eins ganz besonders aufgefallen:

Der Metaphysiker

"Wie tief liegt unter mir Welt!
Kaum seh' ich noch die Menschlein unten wallen!
Wie trägt mich meine Kunst, die höchste unter allen,
So nahe an des Himmels Zelt!"
So ruft von seines Turmes Dahe
Der Schieferdecker, so der kleine große Mann
Hans Metaphysikus in seinem Schreibgemache.
Sag' an, du kleiner großer Mann:
Der Turm, von dem dein Blick so vornehm niederschauet,
Wovon ist er-worauf ist er erbauet?
Wie kamst du selbst hinauf-und seine kahlen Höhn,
Wozu sind sie dir nütz, als in das Tal zu sehn?

Ist das nicht cool!?! Also ich bin völlig begeistert davon!



Edit: Hier noch eines vom lieben Goethe:

Mit der Freude zieht der Schmerz
traulich durch die Zeiten.
Schwere Stürme, milde Weste,
bange Sorgen, frohe Feste
wandeln sich zur Seiten.
Und wo eine Träne fällt,
blüht auch eine Rose.
Schon gemischt, noch eh wir's bitten,
ist für Throne und für Hütten
Schmerz und Lust im Lose.
"Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss nur alles verstehen."
Marie Curie
Jack McPhee

Beitrag von Jack McPhee »

erik hat geschrieben:The Raven by Edgar Allan Poe

Once upon a midnight dreary, while I pondered, weak and weary,
Over many a quaint and curious volume of forgotten lore,
...
And my soul from out that shadow that lies floating on the floor
Shall be lifted— nevermore!
Das BESTE Gedicht, das seit Menschengedenken je zu Papier gebracht wurde! Und das wird es auch immer bleiben!

P.S.: Für Nichtmuttersprachler ist das sehr schwer zu verstehen! Wer trotzdem in den Genuss kommen möchte, soll sich an mich wenden. Ich hab eine Version mit deutschen Anotations der schwierigen Wörter.
WARNUNG: Bloß keine deutsche Übersetzung lesen, die sind ALLE Schrott!
Faith

Beitrag von Faith »

Mein absolutes Lieblingsgedicht, auch wenn es richtig traurig ist, stammt von der "Spoon River Anthology" von Edgar Lee Masters.

George Gray

I have studied many times
The marble which was chiseled for me—
A boat with a furled sail at rest in a harbor.
In truth it pictures not my destination
But my life.
For love was offered me and I shrank from its disillusionment;
Sorrow knocked at my door, but I was afraid;
Ambition called to me, but I dreaded the chances.
Yet all the while I hungered for meaning in my life.
And now I know that we must lift the sail
And catch the winds of destiny
Wherever they drive the boat.
To put meaning in one’s life may end in madness,
But life without meaning is the torture
Of restlessness and vague desire—
It is a boat longing for the sea and yet afraid.
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Blondchen
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Beitrag von Blondchen »

Es ist alles eitell

Du sihst / wohin du sihst nur eitelkeit auff erden.
Was dieser heute bawt / reist jener morgen ein:
Wo itzund städte stehn / wurd eine wiesen sein
Auff der ein schäffers kind wird spielen mitt den heerden.

Was itzund prächtig blüht sol bald zutretten werden.
Was itzt so pocht vnd trotzt ist morgen asch vnd bein.
Nichts ist das ewig sey / kein ertz kein marmorstein.
Itzt lacht das gluck vns an / bald donnern die beschwerden.


Der hohen thaten ruhm mus wie ein traum vergehn.
Soll den das spiell der zeitt / der leichte mensch bestehen.

Als schlechte nichtigkeit / als schaten staub vnd windt.
Als eine wiesen blum / die man nicht wiederfindt.
Noch will was ewig ist kein einig mensch betrachten.


Das ist von Andreas Gryphius.
Ich mache gerade eine Reise durch die Weltliteratur, momentan halte ich mich, wie ihr an diesem deprimierten Dichter erkennen könnt, im Hochbarock auf.
Da gibt es übrigens noch eins von Gryphius:






Menschliches Elende

Was sind wir Menschen doch! ein Wohnhauß grimmer Schmerzen?
Ein Baal des falschen Glücks
ein Irrliecht dieser zeit
ein Schawplatz aller Angst
vnd angebrante Kertzen

Diß Leben fleucht darvon wie ein Geschwätz vnd Schertzen.
Die vor vns abgelegt des schwachen Leibes kleid
Vnd in das TodtenBuch der grossen Sterbligkeit
Längst eingeschrieben sind; sind vns auß Sinn’ und Hertzen:

Gleich wie ein eitel Traum leicht auß der acht hinfält
Vnd wie ein Strom verfleust
Den keine Macht auffhelt;
So muß auch vnser Nahm
Lob
Ehr vnd Ruhm verschwinden.

Was itzund Athem holt; fält vnversehens dahin;
Was nach vns kompt
Wird auch der Todt ins Grab hinzihn
So werden wir verjagt gleich wie ein Rauch von Winden.
"Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss nur alles verstehen."
Marie Curie
Antworten

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