Die besten Gedichte der Welt

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Moderator: Freckles*

~Nadine~

Beitrag von ~Nadine~ »

Das interessanteste an Gedichten ist für mich, dass ich eines sehr schön finden kann, das andere aber überhaupt nicht anspricht. Oder wenn jemand ein Gedicht für wunderbar hält, sagt es mir überhaupt nichts.

Mal zwei, die ich sehr mag.

Nach dem Regen

Es knistert in den Büschen,
Es zieht durch die helle Luft
Das Klingen fallender Tropfen,
Der Sommerregenduft.

Ada Christen (1839 – 1901)


Was nützt es, wenn ich dich liebe?

Was nützt es, wenn ich dich liebe?
du wirst ja doch nicht mein,
und hoffnungslose Liebe,
die bringt nur Tränen ein.

So werd´ich von dir lassen,
auch wenn mein Herz zerbricht,
und werd auch den nicht hassen,
der glücklich mit dir ist.

Ach, hätten meine Augen,
die deinen nie gesehen.
So könnt`ich froh und munter
an dir vorüber gehn`.

Unbekannt
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Blondchen
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Beitrag von Blondchen »

"Was nützt es, wenn ich dich liebe" find ich total schön! :up:
Ja, Gedichte sind immer subjektiv zu betrachten, dem einen gefallen die besser, dem anderen jene.. Feststeht, dass die Welt (für mich) nicht ohne Gedichte leben kann ;)
"Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss nur alles verstehen."
Marie Curie
Inara

Beitrag von Inara »

Dieses Gedicht fand ich schon immer sehr sehr schön:

Der Panther

Sein Blick ist vom Vorübergehen der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf - . Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.

-Rainer Maria Rilke-
Eckskues

Beitrag von Eckskues »

Ich habe auch mal ein wenig herumgestöbert und dabei ist mir das Gedicht von Kristiane Allert-Wybranietz aufgefallen.Ich selbst fand es sehr schön:

an einen, den ich mag

du bist für mich
eine blume,
die ich betrachten möchte
-ganz nah-;
eine blume,
an deren duft ich mich
zuweilen auch berauschen
möchte.
aber ich will
dich nicht brechen,
nicht in eine vase
stellen,

denn du wächst nicht
in meinem garten.




Kennt das sonst noch einer von euch?ALso, ich mags! ;) ^_^
O.C.-Freak

Beitrag von O.C.-Freak »

Wie wenig nütze ich bin von Hilde Domin

Wie wenig nütze ich bin,
ich hebe den Finger und hinterlasse
nicht den kleinsten Strich
in der Luft.

Die Zeit verwischt mein Gesicht,
sie hat schon begonnen.
Hinter meinen Schritten im Staub
wäscht Regen die Straße blank
wie eine Hausfrau.

Ich war hier.
Ich gehe vorüber
ohne Spur.
Die Ulmen am Weg
winken mir zu wie ich komme,
grün blau goldener Gruß,
und vergessen mich,
eh ich vorbei bin.

Ich gehe vorüber-
aber ich lasse vielleicht
den kleinen Ton meiner Stimme,
mein Lachen und meine Tränen
und auch den Gruß der Bäume im Abend
auf einem Stückchen Papier

Und im Vorbeigehn,
ganz absichtslos,
zünde ich die ein oder andere
Laterne an
in den Herzen am Wegrand.
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Blondchen
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Beitrag von Blondchen »

Eckskues hat geschrieben:Kennt das sonst noch einer von euch?ALso, ich mags! ;) ^_^
Ja, das kenne ich auch. Mussten wir mal im Deutschunterricht interpretieren, aber so toll fand ich das jetzt nicht. War mir irgendwie ... zu schlicht. ;)

Super klasse finde ich aber das von Reiner Maria Rilke "Der Panther" :up: und das, was O.C.-Freak gepostet hat.
"Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss nur alles verstehen."
Marie Curie
Eckskues

Beitrag von Eckskues »

Blondchen hat geschrieben: Ja, das kenne ich auch. Mussten wir mal im Deutschunterricht interpretieren, aber so toll fand ich das jetzt nicht. War mir irgendwie ... zu schlicht. ;)

Wieso ist dir das zu schlicht?! ^_^ Es ist zwar nicht viel zu interpretieren, aber die Idee ist doch sehr schön.
Und was haltet ihr hiervon(Die Frage geht insbesondere an Blondchen, da ich ein Gedicht suche, das ihr nicht zu schlicht ist ;) ):

Nähe des Geliebten-Johann Wolfgang Goethe


Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer
Vom Meere Strahlt;
Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer
In Quellen malt.

Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege
Der Staub sich hebt
In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Stege
Der Wandrer bebt.

Ich höre dich, wenn dort mit dumpfen Rauschen
Die Welle steigt;
Im stillen Haine geh ich oft zu lauschen,
Wenn alles schweigt.

Ich bin bei dir, du seist auch noch so ferne,
Du bist mir nah!
Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne.
O wärst du da!




Gefunden-Johann Wolfgang Goethe


Ich ging im Walde
So für mich
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.

Im Schatten sah ich
Ein Blümlein stehen
Wie Sterne leuchtend,
Wie Äuglein schön.


Ich wollt es brechen,
Da sagt´es fein:
Soll ich zum Welken
Gebrochen sein?


Ich grubs mit allen
Den Wurzeln aus,
Zum Garten trug ich´s
Am hübschen Haus.


Und pflanzt es wieder
Am stillen Ort;
Nun zweigt es immer
Und blüht so fort.




wow, das war ´ne Tipperei! ^_^
.:Ann:.

Beitrag von .:Ann:. »

@Eckskues: Wenn du das Gedicht reinkopierst entfällt die Tipperei ;)

@Panter: Gefällt mir auch ganz gut. Ich habe es dadaurch kennengelernt, dass wir ne Inhaltsangabe darüber schreiben mussten.
Und Gefunden haben wir auch mal vor langer Zeit durchgenommen.

"Was nützt es wenn ich dich liebe?" ist leider all zu wahr :ohwell:
GreenHood

Beitrag von GreenHood »

Diese Gedichte gehören zu meinen absoluten Lieblingsgedichten:
  • Ewigkeit
    Ich sah die Ewigkeit erst gestern Nacht,
    sie war ein Ring aus endlosem Licht gemacht,
    ein stiller Raum voll heller Pracht,
    und ringsumher die Zeit,
    seit Stunden, Tagen, Jahren,
    ist sie wohl mitgefahren,
    hält unster ihrem dunklen Umhang die Welt umhüllt,
    in der sich alles Sein erfüllt.
und
  • In dieser Welt voll Freud und Not,
    steht das Leben für den Anfang,
    für das Ende steht der Tod.
    Und jeder Grashalm jede Kreatur,
    folgt wie wir Menschen dem Gebot.
    Das Leben mag vergehn,
    Liebe indessen
    verschwindet nie,
    Geliebtes wird man
    nie vergessen.
Ich kenne den Titel des zweiten Gedichts und die Autoren der beiden Gedichte leider nicht, ich habe aber beide Gedichte aus dem Film "Der Ruf des Meeres" (oder ähnliches).[/b]
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Blondchen
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Beitrag von Blondchen »

@Eckskues:
Normaler Weise ist es keine Schwierigkeit, ein Gedicht zu finden, dass ich nicht zu schlicht finde, da musst Du mich wohl bedauerlicher Weise an einem falschen Tag erwischt haben. ;) Deshalb finde ich die beiden Gedichte, die Du von Goethe ganz ehrenamtlich abgetippt hast (ich kenne das, weil ich sie auch immer aus den Büchern abtippe, die ich hier zu Hand habe...) wiederum auch richtig schön! Sowieso gefallen mir die Liebesgedichte von Goethe sehr gut, eines meiner Lieblingsgedichte ist zum Beispiel: "Willkommen & Abschied", was mit der Pointe endet "Und doch, welch Glück, geliebt zu werden und lieben, Götter, welch ein Glück!" :)

Und dann gefiel mir auch total gut das, was GreenHood gepostet hat, das zweite. Das ist zwar schlicht, aber trotzdem wirklich schön gemacht..

Ich habe noch eines, welches im weitentferntesten Sinne auch mit Liebe zu tun hat. Das ist von Erich Kästner, den ich mit jedem Gedicht, das ich von ihm lese, immer besser finde! Wirklich, da sind so klasse Gedichte mit so großer Aussagekraft dabei, unglaublich!


Der Kümmerer
von Erich Kästner

Der Kümmerer ist zwar ein Mann,
doch seine Männlichkeit hält sich in Grenzen.
Er nimmt sich zwar der Fauen an,
doch andre Männer ziehn die Konsequenzen.

Der Kümmerer ist ein Subjekt,
das Frauen, wenn es sein muß, zwar bedichtet,
hingegen auf den Endeffekt
von vornherein und überhaupt verzichtet.

Er dient den Frauen ohne Lohn.
Er liebt die Frau en groß, er liebt summarisch.
Er liebt die Liebe mehr als die Person.
Er liebt, mit einem Worte, vegetarisch!

Er wiehert nicht. Er wird nicht wild.
Er hilft beim Einkauf, denn er ist ein Kenner.
Sein Blick macht aus der Frau ein Bild.
Die andren Blicke werfen andre Männer.

Die Kümmerer sind nicht ganz neu.
Auch von Goethe wird uns das bekräftigt.
Sein Clärchen war dem Egmont treu,
doch der war meist mit Heldentum beschäftigt.

So kam Herr Brackenburg ins Haus,
vertrieb die Zeit und half beim Wäschelegen.
Am Abend warf sie ihn hinaus.
Wer Goethes Werke kennt, der weiß weswegen.

Die Kümmerer sind sehr begehrt,
weil sie bescheiden sind und nichts begehren.
Sie wollen keinen Gegenwert.
Sie wollen nichts als da sein und verehren.

Sie heben euch auf einen Sockel,
der Euch zum Denkmal macht und förmlich weiht.
Dann blicken sie durch ihr Monokel
und wundern sich, daß ihr unnahbar seid.

Dann knien sie hin und beten an.
Ihr gähnt und haltet euch mit Mühe munter.
Zum Glück kommt dann und wann ein Mann
und holt Euch von dem Sockel runter!

Na, was hälst Du davon, Eckskues?
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Marie Curie
Glücksi

Beitrag von Glücksi »

@ Blondchen

Was Eckskues davon hält weiß ich ja nicht ;) - aber ich find´s toll! :up: :up:
Das muss ich unbedingt mal meinem Sohn zeigen, damit der sich nicht auch zum Kümmerer entwickelt! 8-)

Erich Kästner hat einfach einen unschlagbaren und zeitlosen Humor! :)
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Blondchen
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Beitrag von Blondchen »

@Glücksi
Vorallem finde ich Kästner so genial, weil er in jedem seiner Gedichte Kritik an der Gesellschaft übt und das manchmal so dezent, dass man sie erst beim zweiten oder dritten Lesen wirklich bemerkt! Das, was er ausdrückt, ist ziemlich umfangreich, aber er vermittelt es mit einfachen Wörtern, Sätzen und/oder Reimen. :up:
Kennst Du "Der Handstand auf der Loreley"? Das ist im Grunde eines meiner Lieblingsgedichte von ihm..
Richtig gut ist auch das hier:

Das Führerproblem, genetisch betrachtet
von Erich Kästner

Als Gott am ersten Wochenende
die Welt besah, und siehe, sie war gut,
da rieb er sich vergnügt die Hände.
Ihn packte eine Art Übermut.

Er blickte stolz auf seine Werde
und sah Tuberkeln, Standart Oel und Waffen.
Da kam aus Deutschland die Beschwerde:
"Du hast versäumt, uns Führer zu erschaffen!"

Gott war bestürzt. Man kann's verstehn.
"Mein liebes deutsches Volk", schrieb er zurück,
"es muss halt ohne Führer gehn.
Die Schöpfung ist vorbei. Grüß Gott. Viel Glück."

Nun standen wir mit Ohne da,
der Weltgeschichte freundlichst überlassen.
Und: Alles, was seitdem geschah,
ist ohne diesen Hinweis nicht zu fassen.
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Marie Curie
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Iseabail
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Beitrag von Iseabail »

Bin mir nicht ganz sicher, obs schon mal jemand angemerkt hat, aber im "Was ihr wollt" - Forum gibt es auch schon'n Thread mit dem Thema "Gedichte und Zitate"! Nur falls es von Interesse ist, wär ja vielleicht sinnvoll es mit diesem hier zusammen zu packen...
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Glücksi

Beitrag von Glücksi »

@ Blondchen

Danke dir das du mich aufmerksam gemacht hast, auf Gedichte von Erich Kästner! :)

Was mir so gefällt ist, dass er zwar Kritik übt , dabei aber niemals boshaft wird! :up:

Wie z. B. auch dieses hier zeigt:



Die Entwicklung der Menschheit

Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
und die Welt asphaltiert und aufgestockt,
bis zur dreißigsten Etage.

Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,
in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon.
Und es herrscht noch genau derselbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen.

Sie hören weit. Sie sehen fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung.

Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
und bleiben zwei Wochen oben.

Was ihre Verdauung übrigläßt,
das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
daß Cäsar Plattfüße hatte.

So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
Den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
noch immer die alten Affen.
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Blondchen
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Beitrag von Blondchen »

@Glücksi
Aaach, ist doch selbstverständlich.. Ich helfe, wo ich kann. ;)
An Kästners Gedichten finde ich außerdem noch beeindruckend, dass sie nie an Aktualität verlieren und zeitlos wichtig sind!
Ich habe hier noch eines:

Stimmen aus dem Massengrab
(Für den Totensonntag. Anstatt einer Predigt.)
von Erich Kästner

Da liegen wir und gingen längst in Stücken.
Ihr kommt vorbei und denkt: sie schlafen fest.
Wir aber liegen schlaflos auf den Rücken,
weil uns die Angst um euch nicht schlafen lässt.

Wir haben Dreck im Mund. Wir müssen schweigen.
Und möchten schreiend aus den Gräbern steigen!
Wir haben Dreck im Mund. Ihr hört uns nicht.

Ihr hört nur auf das Plaudern der Pastoren,
wenn sie mit ihrem Chef vertraulich tun.
Ihr lieber Gott hat einen Krieg verloren
und lässt euch sagen: Lasst die Toten ruhn!

Ihr dürft die Angestellten Gottes loben.
Sie sprachen schön am Massengrab von Pflicht.
Wir lagen unten, und sie standen oben.
"Das Leben ist der Güter höchstes nicht."

Da liegen wir, den toten Mund voll Dreck.
Und es kam anders, als wir sterbend dachten.
Wir starben. Doch wir starben ohne Zweck.
Ihr lasst euch morgen, wie wir gestern, schlachten.

Vier Jahre Mord, und dann ein schön Geläute!
Ihr geht vorbei und denkt: Sie schlafen fest.
Vier Jahre Mord, und ein paar Kränze heute!
Verlasst Euch nie auf Gott und seine Leute!
Verdammt, wenn Ihr das je vergesst!

Da lief mir, um ehrlich zu sein, beim Lesen ein Schauer über den Rücken.
"Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss nur alles verstehen."
Marie Curie
Tafelschwamm

Beitrag von Tafelschwamm »

nachdem mich die schönheit der gedichte in diesem thread schlicht weg umgehauen hat, poste ich mal meine beiden Lieblingsgedichte ("Der Panther" gehört auch dazu, aber das wurde ja schon gepostet).

Paul Celan

Todesfuge
Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne und er pfeift seine Rüden herbei
er pfeift seine Juden hervor lässt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr anderen singet und spielt
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen

Er ruft spielt süsser den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland

dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith


Hugo von Hofmannsthal
1874-1929
Die Beiden
Sie trug den Becher in der Hand
- Ihr Kinn und Mund glich seinem Rand -,
So leicht und sicher war ihr Gang,
Kein Tropfen aus dem Becher sprang.

So leicht und fest war seine Hand:
Er ritt auf einem jungen Pferde,
Und mit nachlässiger Gebärde
Erzwang er, daß es zitternd stand.

Jedoch, wenn er aus ihrer Hand
Den leichten Becher nehmen sollte,
So war es beiden allzu schwer:
Denn beide bebten sie so sehr,
Daß keine Hand die andre fand
Und dunkler Wein am Boden rollte.
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Iseabail
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Beitrag von Iseabail »

Anscheinend isses nich so wichtig, daß es noch nen fast identischen Thread gibt, also bin ich dann mal so dreist, und kopier meinen Beitrag aus dem o.g. Thread...
Erstmal hab ich hier einen total schönen Ausspruch, weiß aber leider nicht mehr sicher, ob das ein Ausschnitt aus einem Gedicht ist, oder ein schöner Satz, und hab auch vergessen von wem, vielleicht kennts ja einer von euch, und kann mir da weiter helfen?

"Gedanken, die zu tief liegen um zu weinen!"



Und dann darf natürlich mein absoluter Lieblingsdichter Rilke nicht fehlen!


Lass mich nicht an deinen Lippen trinken

Lass mich nicht an deinen Lippen trinken,
denn an Munden trank ich mir Verzicht.
Lass mich nicht in deine Arme sinken,
denn mich fassen Arme nicht.


Ich lese es heraus

Ich lese es heraus aus deinem Wort,
aus der Geschichte der Gebärden,
mit welchen deine Hände um das Werden
sich ründeten, begrenzend, warm und weise.
Du sagtest leben laut und sterben leise
und wiederholtest immer wieder: Sein.
Doch vor dem ersten Tode kam der Mord.
Da ging ein Riss durch deine reifen Kreise
und ging ein Schrein
und riss die Stimmen fort,
die eben erst sich sammelten
um dich zu sagen,
um dich zu tragen
alles Abgrunds Brücke -

Und was sie seither stammelten,
sind Stücke
deines alten Namens.


Das Nächste is das Allerschönste, was je gesagt wurde! Find ich zumindest

Immer wieder

Immer wieder, ob wir der Liebe Landschaft auch kennen
und den kleinen Kirchhof mit seinen klagenden Namen
und die furchtbar verschweigende Schlucht, in welcher die anderen
enden: immer wieder gehn wir zu zweien hinaus
unter die alten Bäume, lagern uns immer wieder
zwischen die Blumen, gegenüber dem Himmel.



Isses nicht total traurig und voll von Sehnsucht und trotzdem total schön?
So, dann hör ich mal lieber auf, bevor ich noch pathetisch werd...
You are not lost.
You are where you are, and you have to make the best of it.
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Glücksi

Beitrag von Glücksi »

Isebail hat geschrieben: Anscheinend isses nich so wichtig, daß es noch nen fast identischen Thread gibt
Solange unsere Mods nicht motzen, juckt´s keinen! ^_^ ^_^ ^_^

@ Immer wieder

Wirklich seeehr schön! :up:
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Blondchen
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Beitrag von Blondchen »

Das letzte Kapitel
von Erich Kästner

Am 12 Juli des Jahres 2003
lief folgender Funkspruch rund um die Erde:
daß ein Bombengeschwader der Luftpolizei
die gesamte Menschheit ausrotten werde

Die Weltregierung, so wurde erklärt, stelle fest,
daß der Plan, endgültig Frieden zu stiften,
sich gar nicht anders verwirklichen läßt,
als alle Beteiligten zu vergiften

Zu fliehen, wurde erklärt, habe keinen Zweck
Nicht eine Seele dürfe am Leben bleiben
Das neue Giftgas krieche in jedes Versteck
Man habe nicht einmal nötig, sich selbst zu entleiben

Am 13 Juli flogen von Boston eintausend
mit Gas und Bazillen beladene Flugzeuge fort
und vollbrachten, rund um den Globus sausend,
den von der Weltregierung befohlenen Mord

Die Menschen krochen winselnd unter die Betten
Sie stürzten in ihre Keller und in den Wald
Das Gift hing gelb wie Wolken über den Städten
Millionen Leichen lagen auf dem Asphalt

Jeder dachte, er könne dem Tod entgehen
Keiner entging dem Tod, und die Welt wurde leer
Das Gift war überall Es schlich wie auf Zehen
Es lief die Wüsten entlang Und es schwamm übers Meer

Die Menschen lagen gebündelt wie faulende Garben
Andre hingen wie Puppen zum Fenster heraus
Die Tiere im Zoo schrien schrecklich, bevor sie starben
Und langsam löschten die großen Hochöfen aus

Dampfer schwankten im Meer, beladen mit Toten
Und weder Weinen noch Lachen war mehr auf der Welt
Die Flugzeuge irrten, mit tausend toten Piloten,
unter dem Himmel und sanken brennend ins Feld

Jetzt hatte die Menschheit endlich erreicht, was sie wollte
Zwar war die Methode nicht ausgesprochen human
Die Erde war aber endlich still und zufrieden und rollte,
völlig beruhigt, ihre bekannte elliptische Bahn.
"Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss nur alles verstehen."
Marie Curie
~iris~

Beitrag von ~iris~ »

Die Kästner und Rilke Gedichte sind einfach toll!
Ich mag die Sonette von Shakespeare sehr gern, hier mal in Deutsch:

Sonett 87
Leb' wohl, du stehst zu hoch für mich im Wert
Und bist von deinem Vorzug unterrichtet.
Dein Ruhm hat einen Freibrief dir gewährt
Und meine Rechte all auf dich vernichtet.
Mein wurdest du allein durch freie Gabe,
Nicht mein Verdienst gewann dies reiche Glück;
Wie ich kein Recht auf soviel Schönheit habe,
So fällt die Schenkung heut an dich zurück.
Du gabst dich mir, dir selber unbekannt,
Und kanntest wohl auch den Empfänger nicht!
Ein Irrtum nur gab meinem Glück Bestand,
Das mit Erkenntnis jäh zusammenbricht.
Mein warst du nur in holder Träume Reich,
Da war ich König; wach - dem Bettler gleich!

Dieses hier haben wir vor kurzem in Germanistik behandelt:

Robert Frost - Der unbegangene Weg
In einem gelben Wald,
da lief die Straße auseinander
und ich betrübt, das ich ein Wanderer bleiben
und nicht die beiden Wege gehen konnte,
stand und sah dem einem nach soweit es ging,
bis dorthin wo er sich im Unterholz verlor.
Und beide lagen sie an jenem Morgen gleicher weise
voll Laubes, dass kein Schritt noch schwarz getreten hatte.
Für ein ander Mal hob ich mir jenen ersten auf,
doch wissend wie es mit Wegen ist
wie Weg zu Weg führt erschien mir zweifelhaft,
das ich je wieder kommen würde.
Dies alles sage ich mit einem Ach darin,
dereinst und irgendwo nach Jahr und Jahr und Jahr.
Im Wald da war ein Weg,
der Weg lief auseinander und ich –
ich schlug den einen ein, den weniger begangenen
und dieses war der ganze Unterschied.
Antworten

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