Hallo zusammen!
Ich weiß, ich bin etwas *hust* spät dran.
Ich habe mir nun endlich die 7. Staffel auf DVD geholt. Vorher möchte ich aber noch einmal die vorherigen Staffeln anschauen.
Ein ziemlich großes Projekt, wie ich fürchte. Aber man tut, was man kann.
Die Serie hat ja starke Züge eines Sittengemäldes, ist oft Fragment (um mal ganz geschwollen daherzureden). Viele Motive für die Handlungen der Figuren bleiben unausgesprochen und lassen Interpretationsspielraum. Man hat oft das Gefühl, zufällig in Dialoge hineinzugeraten und muss sich erst einmal zurechtfinden, worum diese sich überhaupt drehen. Die Mühe, dem 2000er-Zuschauer alles zu erklären, macht sich die Serie an keiner Stelle, vor allem auch nicht bezüglich der zeitgeschichtlichen Hintergründe (die mich aber interessieren und oft dazu bringen, dazu zu recherchieren). Sie regt zum Nachdenken über das Gesehene an.
Ich möchte deshalb dieses Forum nutzen, um meine Gedanken beim Review dazu zu ordnen.
Also:
1. Staffel, 1. Folge „Smoke get`s in your eyes“
Hereinspaziert in die Welt der 60er-Jahre in der Madison Avenue, New York. Die überwältigende Hochglanz-Optik der Serie lässt einen erstmal an eine „gute alte Zeit“ denken, als Männer noch Hüte trugen und Gentlemen waren, Frauen in den Mantel halfen… Hüstel, dieser Eindruck wird bereits in der ersten Folge stark über den Haufen geworfen, denn tatsächlich wird mit den Sekretärinnen bei Sterling Cooper äußerst respektlos umgegangen. Ihre bloße Anwesenheit im Aufzug sorgt z.B. dafür, dass Peggy Olsen, die „Neue“ sich anzügliche Sprüche der jungen männlichen Mitarbeiter anhören darf.
Es ist eine Welt, in der Schwarze als Kellner oder Aufzugschaffner in Erscheinung treten und selbst die Hauptperson Don Draper, nachdem er sich in der allerersten Szene freundlich mit einem schwarzen Kellner unterhalten hat, schnell durchblicken lässt, dass er keine progressiven Ansichten hat, indem er sich beim Kundenmeeting mit Rachel Menken schnell zu der Aussage provoziert fühlt, er lasse eine Frau nicht so mit sich reden und sich in einer weiteren Szene dahingehend äußert, dass er es doch ganz schön so, dass jüdische Firmen sich an jüdische Werbeagenturen wenden, um jüdische Produkte an jüdische Kunden zu verkaufen.
Eine Welt, in der alle rauchen wie die Schlote und von morgens bis abends harten Alkohol trinken. Die Drinks, die sich Don allein in dieser nur 2 Tage umfassenden Folge zu Gemüte führt, konnte ich schon nicht mehr zählen.
Spätestens in der berüchtigten Frauenarzt-Szene, in der sich Peggy während der Untersuchung von einem rauchenden Gynäkologen fiese Sprüche zu hören bekommt, weil sie die Pille möchte, man bei der Untersuchung selbst auch den Eindruck hat, sie wird hier behandelt wie Vieh, verspüre ich schlagartig nicht mehr den Wunsch, als Frau in dieser Zeit zu leben. Würg. Um sich abzulenken, blickt Peggy auf den Kalender an der Wand und wir erfahren, in welcher genauen Zeit wir uns befinden: März 1960.
Bestimmendes Thema dieser Folge ist das Rauchen. Don sucht einen Slogan für Lucky Strike, den größten Kunden von Sterling Cooper (wie wir später in der Serie erfahren). Ich frage mich ja wirklich, wie die Serienmacher es geschafft haben, echte Firmennamen in der Serie benutzen zu dürfen. Dann auch noch eine Tabak-Firma. Ob sie Geld für das Product Placement erhalten haben? Denn so richtig positive Werbung ist es ja auch nicht gerade in der Serie.
Wir erfahren, dass die Schädlichkeit des Rauchens in den 1960er Jahren noch immer noch eher ein Gerücht ist als eine Gewissheit ("da war EIN Artikel im Reader`s Digest"). Trotzdem findet gerade ein Umschwung statt und die Werbeleute dürfen in ihrer Reklame nicht mehr behaupten, dass Zigaretten nicht gesundheitsschädlich sind.
Ich persönlich hatte ja bei Pete Campbells Vortrag, Zigaretten als Symbol für Freiheit und Rebellion zu vermarkten, der von den anderen einhellig als Schwachsinn abgelehnt wird, den Eindruck, dass diese Strategie in späteren Jahrzehnten doch noch erfolgreich umgesetzt wurde (Marlboro-Mann etc.).
Faszinierend finde ich auch das Schönheitsideal, das in der Serie dargestellt wird: Joan, die bestimmt nicht in Größe 38 passt, gilt unbestritten als begehrenswerteste Frau in der Firma. Mit perfekter Sanduhrfigur, figurbetonter Kleidung und einem starken Selbstbewusstsein, wirkt sie unglaublich sinnlich und genießt die ihr zuteil werdende Aufmerksamkeit.
Auch die Stripperin bei Petes Junggesellenabschied würde in einer Serie, die in der heutigen Zeit spielt, niemals ernsthaft in dieser Rolle zu sehen sein (obwohl auch sie nicht dick ist, sie hat eine normale, weibliche Figur; das hält einem schon irgendwie den Spiegel vor Augen, wie sich die Vorstellungen über weibliche Sexyness durch Film und Fernsehen inzwischen geändert haben).
Andererseits steht Hauptfigur Don ja eher auf große, sehr schlanke Frauen und mir stellt sich die Frage, ob das damit zusammenhängt, dass die Serie dann doch aus der heutigen Zeit stammt und die Partnerinnen einer Hauptfigur deshalb eben doch immer Modelmaße haben müssen.
Interessant fand ich auch Art Director Salvatore. Schon in der ersten Folge kann man sein Geheimnis leicht erraten. Seine Machosprüche sind offenbar nur Fassade und die Zeichnung seines Nachbarn (der tatsächlich Nichtraucher sein soll?) mit freiem Oberkörper kann in einer amerikanischen Serie auch nur als Hinweis mit dem Holzhammer gesehen werden. Mir ist aufgefallen, dass er gleich in dieser Folge etwas in der Richtung sagt, er könne nicht verstehen, wieso Menschen sich verstellen (den Zusammenhang und genauen Wortlaut habe ich jetzt leider vergessen). Welch Ironie...
Dann natürlich die große Frage: Wieso lässt sich Peggy mit Pete ein? Das ist so etwas, was in der Serie nie erklärt wird. Von seiner Warte aus ist es klar: Auf der Junggesellenfeier kam er nicht zum Zug, ist frustriert, deshalb klopft er mal eben bei der grauen Maus aus dem Büro (woher hat er bitteschön ihre Adresse?), und das klappt dann ja auch.
Aber wieso lässt sich Peggy darauf ein? Dass sie für Pete irgendetwas empfindet, kann ich mir nicht vorstellen, nachdem er sich ihr gegenüber im Büro als der größte Schmierlappen von allen präsentiert hat. Fühlt sie sich nun doch geschmeichelt, weil er vor ihrer Tür steht (aus späteren Folgen meine ich mich zu erinnern, dass Peggy doch ziemlich schnell und ohne große Gefühle mit Männern ins Bett geht, vielleicht ist sie ja von Anfang an einfach so drauf)? Denkt sie wirklich, dass so etwas von ihr erwartet wird, nachdem sie den ganzen Tag im Büro entsprechende Kommentare bekommen hat und deshalb sogar selbst einen (äußerst peinlichen) Annäherungsversuch gegenüber Don versucht hat?
Dann am Schluss der große WTF-Moment: Don Draper hat 2 Kinder und eine junge, hübsche Frau. Damit hat man in der kompletten Folge nicht gerechnet. Beim neuen Sehen ist mir noch mehr unangenehm aufgestoßen als zuvor, dass seine Frau nicht nur keine Beschwerde dagegen erhebt, dass Don einfach mal in der Nacht zuvor ohne Bescheid zu sagen nicht nach Hause gekommen ist und sie auch nicht fragt, wo er war (aus späteren Folgen weiß ich natürlich, warum das so ist: wenn sie ihm irgendwelche Vorwürfe macht, kommt er erst recht nicht heim und entfernt sich nur noch weiter von ihr). Sie macht ihm auch noch offenbar jeden Abend warmes Abendessen auf gut Glück, ohne zu wissen, ob er sich herablässt, nach Hause zu kommen oder nicht. Wie frustierend ist das denn bitte!
Auf jeden Fall hat mich die Serie gleich mal wieder in ihren Bann gezogen mit geschliffenen Dialogen und spannenden Charakteren, die niemals nur schwarz oder weiß gewaschen sind.
Dann natürlich noch die tolle Musik. Abschlusslied ist "The Street where you live" aus My fair Lady. Zum Dahinschmelzen...
„Zukunftsgerichtete“ Anspielungen und Gags:
- „Hier steht keine Zaubermaschine, die identische Kopien herstellt.“
- Roger Sterling hält Richard Nixon`s Wahlkampagne für einen Selbstläufer (kurz recherchiert: später im Jahr 1960 unterliegt Nixon beim Präsidentschaftswahlkampf gegen Kennedy)